„Die Kirche ins Gebet nehmen“ – unter diesem Motto lud das Seelsorgeteam der Pfarrei St. Martin um Stadtpfarrer Franz Reitinger, Kaplan Pater Gregor Schuller, Diakon Sebastian Nüßl, Gemeindereferentin Verena Grillmayer und der Gemeindeassistentin im Vorbereitungsjahr Christina Schneider zu einem offenen Abend in die Martinskirche ein. Der Hintergrund war das vor kurzem veröffentlichte Münchner Gutachten über sexuellen Missbrauch und dessen systematische Vertuschung in der Kirche, das zu einer zunehmenden Verunsicherung unter den Gläubigen geführt hat.
Dem Pfarrteam war es daher ein großes Anliegen, einen Gesprächsrahmen zu eröffnen, in dem Gläubige in verschiedenen Stationen ihre Wut und Hoffnungen in Bezug auf aktuelle Themen der Kirche zum Ausdruck bringen können.
Der Kirchenraum wurde dabei in zwei Bereiche aufgeteilt: Der Eingangsbereich der Pfarrkirche wurde hell erleuchtet und bot Platz für drei Stationen. Im Mittelgang durften Gläubige unter dem Leitgedanken „Oh Gott, die Kirche“ ihre Ängste und Sorgen auf kleine Zettel schreiben und sie anschließend an ein Kreuz hämmern.
Rechts waren große, runde Steine aufgebaut, die mit eigenen Erwartungen und Visionen an die Kirche beschriftet werden können. „Alle sind willkommen“, „Sprechen“ oder „Gleichberechtigung“ waren unter anderem wichtige Themen.
Im linken Teil war ein großes Papier mit Stiften und Farben zu finden: Dort wurden die Gläubigen dazu eingeladen, ihre eigene Wut und ihre Hoffnungen auf kreative Weise zum Ausdruck zu bringen.
Einen Kontrast zum hell erleuchteten Eingangsbereich bildete der Altarraum, der in einem mystisch dunklen Rot gehalten wurde. Dort befand sich eine weitere Station, die zum Verweilen einlud: Hier konnte in Stille ein Gebet gesprochen und als Ausdruck dazu eine Kerze vor dem Taizé – Kreuz angezündet werden.
In der Mitte des Abends fand ein kurzes Taizé Gebet statt: Dabei lauschten rund 25 Gläubige verschiedenen Gebeten und Liedern, die vom Chor unter der Leitung des Kirchenmusikers Konrad Jocher gesungen wurden. In den Fürbitten wurde noch einmal auf aktuelle Themen Bezug genommen und besonders an Opfer sexuellen Missbrauchs gedacht.
Neben den Stationen in der Pfarrkirche wurden in der Unterkirche offene Gesprächsrunden, moderiert von Franz Reitinger, angeboten. Fast die ganz Zeit wurde dort angeregt diskutiert. Und Jung und Alt waren gleichermaßen der Auffassung, dass es besser sei, in der Kirche für Reformen einzutreten als auszutreten.
Trotz der insgesamt eher verhaltenen Teilnahme war die Pfarrkirche St. Martin ein offener Ort, in dem in Stille oder auch im Austausch mit anderen Gläubigen, das Motto des Abends überzeugend umgesetzt wurde - die Kirche ins Gebet zu nehmen.