Kirche im Quantensprung

Katholische Kirche im theologischen Quantensprung
Was er sich vom kommenden Zweiten Vatikanischen Konzil erwarten würde,
wurde vor 60 Jahren Papst Johannes XXIII. gefragt. „Ich weiß es nicht,“ meinte er, öffnete ein Fenster des Vatikanpalastes und setzte hinzu: „Etwas frische Luft für die Kirche.“
Wie viel geistbewegte Luft und angstfreier Dialog in den folgenden drei Konzilsjahren von 1962 bis 1965 möglich sein würde, davon berichtete Diplom Theologin Beate Eichinger in einem spannenden, mit original Filmausschnitten, Bildern und prägnanten Auszügen aus den Konzilsdokumenten angereicherten, Vortrag im Pfarrsaal von St. Martin zu Deggendorf. Und so blieb es nicht aus, dass auch im St. Martiner Pfarrsaal unter den katholischen und evangelischen Zuhörerinnen und Zuhörern, die ansteckende Kraft des Konzilsgeistes in der anschließenden Diskussion spürbar wurde.
Was war es nun, das die katholische Kirche in den 50er Jahren so sehr veränderte und ihr fast gleichsam ein neues, sehr ansprechendes Gesicht gab? Eichinger führte es einerseits auf die Rückbesinnung zu den Biblischen Wurzeln, andererseits auf den Wunsch nach einer Öffnung der Kirche hin zur Welt, zurück. So wurde ein echter Dialog möglich, in dessen Verlauf sich mit der überwiegenden Mehrzahl der Konzilsväter auch die Kirche erneuerte und reformierte. Freilich gab es auch eine kleine Anzahl von Konzilsvätern, darunter Levebre, auf den sich heute die Piusbrüder berufen, die im traditionalistischen, kirchlichen Denken noch stark verwurzelt und aus der Sorge heraus, dass die Menschen mit einer echten Gewissensfreiheit total überfordert wären, kritische und bremsende Textbeiträge mit einbrachten. Und doch wurden alle Konzilsdokumente, auch dank des diplomatischen Geschicks Papst Paul des VI. mit überwältigender Mehrheit verabschiedet.
Als größte Errungenschaften des Konzils stellte Diplom Theologin Beate Eichinger die Religions- und Gewissensfreiheit jedes Menschen und die daraus folgende Achtung gegenüber Menschen anderer christlicher Konfessionen oder Menschen anderer Weltreligionen heraus, die in den Konzilsdokumenten „Dignitatis humanae“ (Die Erklärung über die Religionsfreiheit.), „Gaudium et spes“ (Die pastorale Konstitution über die Kirche in der Welt von heute.), „Unitatis redintegratio“ (Das Dekret über den Ökumenismus.) und „Nostra aetate“ (Die Erklärung über das Verhältnis der Kirche zu den nichtchristlichen Religionen.) bestätigt wurden. War schon die Herausstellung der Gewissens- und Religionsfreiheit ein unübersehbarer Quantensprung in der theologischen Geschichte der katholischen Kirche, so wurde dieser, durch das neue, positive und Achtung erzeugende Verhältnis gegenüber dem Judentum und in der Wertschätzung der anderen Weltreligionen, gegenüber dem traditionalistischen, alleine selig machenden Anspruch: „Keine Freiheit gegenüber dem Irrtum!“ nur noch verstärkt.
Es war das große Anliegen von Papst Johannes XXIII., der sich einmal gegenüber jüdischen Menschen als „Josef, euer Bruder“ bezeichnete, das schwierige Verhältnis zwischen katholischer Kirche und Judentum nach Jahrhunderten von Verfolgung und Rufmord zu reinigen und Wege der Versöhnung anzubahnen, das als letztes Konzilsdokument verabschiedet wurde.
Seither hat sich viel Positives getan, wie in der anschließenden Diskussion durch persönliche Erfahrungsberichte einzelner deutlich wurde. Auch der für viele, noch schmerzliche Abschied von der Deggendorfer Gnad, wie Pfarrer Riedl anfügte, gehört dazu. Beate Eichinger konnte mit Freude von der nun schon 14. Fahrt der Katholischen Erwachsenen Bildung Regensburg ins „Jüdische München“ mit jeweils ca. 40 Teilnehmenden berichten.
Am Ende des Abends war man sich einig, dass das II. vatikanische Konzil ein großes Geschenk der jüngeren Kirchengeschichte ist und dass wir es, so wie Pfarrer Riedl zum Abschluss des Abends meinte, mit unserem Leben weiter in die Pfarrgemeinden und die Welt tragen sollen.
Notburga Baumann