Kadletz: Objekt-Präsentation

Das Leben zeichnet manchmal eigenartige Wege: Vor Jahrzehnten verteidigte Gerhard Kadletz als Angehöriger des Grenzschutzes die deutsche Grenze, heute prangert er als Künstler die Flüchtlingskrise an. „Die Flüchtlinge kommen aus dem Feuer und gehen in die Wasserwüste“, beschreibt er das tausendfache Sterben im Mittelmeer. Das Sterben selbst wird immer weniger wahrgenommen – genauso wie die Ursachen dafür. Gegen diese Entwicklung setzt Kadletz mit seinem Werk Barmherzigkeit ein Ausrufezeichen, das mit einer Kunstaktion des Bistums nach Stationen in Regensburg und Straubing jetzt auch in der Pfarrkirche St. Martin in Deggendorf zu sehen ist.
In das wurmstichige Schiffwrack setzt Kadletz ein Kreuz, das wie ein Mast in den Himmel ragt: „Durch die Krise auf dem Mittelmeer wird Jesus noch mehr geschunden“, erklärt er die Symbolik. Die Installation soll die Gedanken in Richtung Barmherzigkeit lenken – nicht zuletzt durch das Blau, das nicht nur die Farbe von Gerhard Kadletz ist, sondern auch an Mutter Theresa erinnern soll. Der Teddy im Boot erinnert an die Kinder, die Dollarnote an die Bezahlung der Schleuser. Es ist also ein Boot voll Symbolik. Er bedankte sich bei der Eröffnung der Ausstellung bei den vielen Wegefährten, die zur Ausstellung in die Pfarrkirche St. Martin gekommen sind – darunter auch Zweiter Bürgermeister Günther Pammer. Besonders hob er die Predigt von Stadtpfarrer Franz Reitinger hervor.
Der Stadtpfarrer erinnerte daran, dass die Flüchtlingskrise schon seit Jahren andauere – nicht erst seit 2015, als sie in das Bewusstsein der Europäer drang. Vor diesem Hintergrund ermutigte er zur Hilfe vor Ort: „Nicht ohne Grund ist ja seit Jahrzehnten der fünfte Fastensonntag verknüpft mit der Misereor-Kollekte. Aus dem einfachen Grund, weil die weltwirtschaftlichen Verhältnisse und politische Versäumnisse vor Ort einem großen Teil der Bevölkerung in der sog. Dritten Welt erträgliche, d.h. menschliche Lebensbedingungen vorenthalten. Kein Wunder, dass deshalb die Migrationsströme zunehmen. Ganz zu schweigen von den Fluchtwellen, die Kriege und Bürgerkriege auslösen. Und dennoch dürfen wir nicht aufhören, gerade auch mit Hilfsprojekten wie denen von Misereor den Menschen auf der Schattenseite dieser Welt zu helfen - mit einer Hilfe zur Selbsthilfe, die sie stärkt, die Entwicklung im eigenen Land anzupacken und nicht aufzugeben, wenn es Rückschläge gibt.“
Das zerbrochene Boot, eine übrig gebliebene Schwimmweste, ein Kreuz sei genau die Sprache der Heiligen Schrift, die in zahlreichen Prophetentexten darauf hinweise, dass Gott ganz eindeutig Partei ergreife zu Gunsten derer, die ausgebeutet und ihrer Würde beraubt würden. Es gebe natürlich Grenzen der Integrationsfähigkeit, doch man kann sich auch nicht damit begnügen wegzuschauen und die Herzen zu verhärten: „Barmherzigkeit ist immer möglich - auch wenn unsere menschlichen Möglichkeiten erschöpft zu sein scheinen. Lassen wir uns - bildlich gesprochen - die Rettungsweste zuwerfen von Jesus, der durch den Tod ins Leben gegangen ist, damit wir neue Kräfte entwickeln, den Kraftlosen unter die Arme zu greifen und ihnen zu helfen, so gut wir dazu in der Lage sind.“ So hat Reitinger die Ausstellung nicht nur als ein Ausrufezeichen gegen das Sterben, sondern auch als eines für die Hilfe und das Leben gedeutet.

Jürgen Stern